Theater und Orchester Heidelberg
Foto Ludwig Olah

Zwischen bildender Kunst und Theater

Mit einer gemischten Besetzung aus Schauspieler*innen, Studierenden der Theaterakademie Mannheim, Kindern, Statisterie und Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung erarbeitet Eva Kot’átková ein Stück über Jakob Mohr, dessen Zeichnungen und Texte zum Bestand der Sammlung Prinzhorn gehören.

Im Interview mit Dramaturg Jürgen Popig gibt die Prager Künstlerin Einblicke in ihre Arbeit.

Eva, wie bist du auf Jakob Mohr gekommen? Wo hast du zum ersten Mal seine Zeichnung »Justizmord« gesehen?

Eva Kot’átková: Ich habe ein Buch über den »Luftwebstuhl« des James Tilly Matthews gelesen. Dadurch war mein Interesse geweckt für Beeinflussungsmaschinen als wiederkehrende, durch die Zeiten reisende Objekte, die eng verbunden ist mit den Fantasien von Menschen, die als geistig krank eingestuft werden. Als ich in einem weiteren Buch Jakob Mohrs Zeichnung »Justizmord« fand, erregte sie sofort meine Aufmerksamkeit. Denn sie zeigt nicht nur die Maschine und ihr Opfer, sondern eine komplexe Szenerie, die vielleicht als eine einzige große Beeinflussungsmaschine gesehen werden kann – als Maschine eines Gerichtsprozesses, Maschine einer Institution.

Woher kam die Entscheidung, aus dieser Zeichnung eine Theaterperformance zu entwickeln? Wie bist du vorgegangen?

Eva Kot’átková: Die Zeichnung von Jakob Mohr ist die perfekte Grundlage für ein Skript. Sie ist komplex und detailliert, enthält eine Menge Information über die abgebildeten Figuren und ist außerdem von großer visueller Faszination. Als ich anfing, die Zeichnung in den realen Raum und auf Lebensgröße zu übertragen und zum Leben zu erwecken, war es interessant zu sehen, was das für das Spiel der Akteure bedeutete. Sie waren auf ihre Positionen festgelegt und hatten nur ein eingeschränktes Repertoire von Bewegungen und Gesten zur Verfügung, fast wie Figuren einer Spieluhr. Ganz allgemein fragt meine künstlerische Arbeit nach der Situation von Individuen, die, aus welchen Gründen auch immer, unfähig sind, sich den sozialen Strukturen um sie herum anzupassen. Die Beeinflussungsmaschine steht für mich am Schnittpunkt zwischen inneren Visionen und äußeren Zwängen, sie beschreibt die Mechanismen in unserem Kopf und die Mechanismen gewisser Institutionen. Das kann ebenso gut die Psychiatrie sein wie die Justiz.

Du hast »Justizmord des Jakob Mohr« bereits in Prag zur Aufführung gebracht. Wie ist es, das Stück jetzt in einer anderen Stadt, einer anderen Sprache und mit einer anderen Besetzung noch einmal zu inszenieren?

Eva Kot’átková: Der Hauptunterschied ist der, dass es jetzt, als Teil des Heidelberger Spielplans, überhaupt erst offiziell zum Theaterstück wird. In Prag haben wir es nur an einem Abend dreimal hintereinander im Kontext bildender Kunst gezeigt. Hier wird daraus eine Theateraufführung, die einer eigenen Logik folgt. Ich habe großes Vertrauen zu den Heidelberger Schauspieler*innen – und sie haben viel Geduld mit mir. Von Anfang an war mir wichtig, dass wir nicht nur versuchen, die tschechische Aufführung zu imitieren, sondern dass wir auch einen neuen Blick auf den Fall Jakob Mohr werfen.

Die deutschsprachige Erstaufführung »Justizmord des Jakob Mohr« findet am 15. September 2018 um 20 Uhr im Haus der Johannesgemeinde Neuenheim, Lutherstraße 67, statt. Weitere Vorstellungen im September und Oktober.
Eine einmalige Vorstellung mit Gebärdensprache findet in Kooperation mit der Kommunalen Behindertenbeauftragten am 7. Oktober statt.

Karten für alle Vorstellungen erhalten Sie an der Theaterkasse, Theaterstraße 10, unter tickets@theater.heidelberg.de, 06221 | 58 20 000 oder online im Webshop.

Justizmord des Jakob Mohr

von Eva Kot’átková

Sa 15.9.2018, 20.00 Uhr
Haus der Johannesgemeinde