Theater und Orchester Heidelberg
Foto Sebastian Bühler

Zum Probenprozess bei »Peer Gynt ist ein Anderer«

Ibsens dramatisches Gedicht von 1867 stellt nicht nur die großen Fragen an eine einzelne Biografie, sondern erzählt als gewaltiger Bilderbogen zudem eine Geschichte des 19. Jahrhunderts. Die Auswirkungen des Abenteuers Fortschritt spiegeln sich im Selbstverständnis des Einzelnen, der zwischen den Zwängen und Exzessen seiner Zeit in die Schatten stürzt, die die Psychoanalyse bereits vorauswirft.

Dramaturgin Maria Schneider berichtet über einen außergewöhnlichen Probenprozess:

Mit sieben Schauspieler*innen begann Regisseur Alexander Charim eine sechswöchige Probenphase, an deren Anfang ein anderer »Peer Gynt« stand, als am Ende lebendig werden sollte. Ursprünglich gab es die Konzeption, Peer Gynt von einem einzelnen Schauspieler spielen zu lassen, der Peers ganzes Leben von der Jugend im Bergdorf über Exzesse in Amerika, Marokko, Ägypten bis hin zur Rückkehr in eine verkümmerte Heimat als schiffbrüchiger alter Mann verkörpern sollte. Zur Hälfte der Probenzeit musste dieser Weg durch eine Erkrankung des Hauptdarstellers leider aufgegeben werden. Anstatt nun ohne den zeitlichen Vorlauf, den die Annäherung an eine solche Mammutrolle mit sich bringt, einen anderen Spieler auf die leere Stelle zu setzen, entschied sich das gesamte Team, einen anderen Weg miteinander weiterzugehen.

Der 4. und 5. Akt, die Peer Gynt in seinen mittleren und späten Jahren zeigen, sind nun das Grundgerüst für die dramatische Handlung. Verkörpert von Marco Albrecht folgen wir einem Peer in der Krise, den die Schlaglichter aus seiner Vergangenheit heimsuchen. In den Kernszenen aus den ersten drei Akten, sie sich immer wieder in sein Bewusstsein schieben, spielen sich die Konflikte um Peers Mutter Aase, Peers Geliebte Solveig und Peers Begegnung mit den Trollen ab, die den älteren Mann bis an sein Ende weiterverfolgen. Hier, in den Erinnerungen, sind alle Peer: Jede Stimme in Peers Kopf, jede*r Spieler*in des Ensembles kann Peer verkörpern. Die Schlüsselszenen der ersten drei Akte verknüpfen sich mit den letzten beiden Akten zu einer Collage, die den zentralen Fragen des Stücks auf eine neue Art und Weise nachspürt.

Pressestimmen zur Premiere von »Peer Gynt ist ein Anderer«

Volker Oesterreich bemerkt in der Rhein-Neckar-Zeitung (8./9. Dezember), »mit einfachsten inszenatorischen Mitteln und darstellerischer Kraft« sei es gelungen, den »gewaltigen Egotrip« Peer Gynts auf der kleinen Zwinger-Bühne zu konzentrieren. Regisseur Alexander Charim lade mit dem Ensemble zu einem Kopfkino ein, das gleich zweierlei sei: »ein irres, wirres, erkenntnishungriges Stationendrama rund um die Welt und eine Reise ins innerste Ich voller Symbolismen«. Wer sich auf den Abend einlasse, erlebe »eine intensive Ibsen-Inszenierung«.

 

Der »flirrende Vielklang der Stimmen« setze die berühmte Gynt-Allegorie von der Zwiebel, die viele Schichten, aber keinen Kern enthalte, »eindrücklich in Szene« schreibt Martin Vögele im Mannheimer Morgen (10.12.2018) zum Ansatz, die Titelrolle auf mehrere Darsteller zu verteilen. Der Abend zeige neben »allerhand Schauwert« einen »vom Ensemble sehr gut gespielten theatralen Erkundungsritt, der mit Wucht, Fantasie und emotionaler Kraft das Gyntsche Ich-Labyrinth bereist«.

 

Für Darmstädter Echo und Wormser Zeitung (8.12.2018) berichtet Stefan Benz über den »kühnen wie beherzten Zugriff« von Regisseur Alexander Charim, der das Ensemble »pfiffig und unerschrocken durch die Stürme eines vergeudeten Lebens« manövrieren lasse: »Wie die Heidelberger dieses ausufernde Drama schier überwältigen, das ist bei aller dramaturgischen Kühnheit stets auch eine schauspielerische Kraftanstrengung des Ensembles, die Respekt abnötigt.«

 

Karten für die Vorstellungen im Zwinger 1 erhalten Sie an der Theaterkasse, unter 06221 58 20 000, tickets@theater.heidelberg.de sowie online im Webshop.

Peer Gynt ist ein Anderer

nach »Peer Gynt« von Henrik Ibsen

Peer Gynt

Trailer von Thiemo Hehl