Theater und Orchester Heidelberg
Szene bei der Klavierhauptprobe; Foto Sebastian Bühler

»Flüchtige Bilder aus verschieden Zeiten«

Am 11. Mai 2018 feierte Louis Andriessens Oper »Writing to Vermeer« Premiere im Marguerre-Saal. Die Deutsche Erstaufführung inszeniert ein Team um Regisseur Johannes von Matuschka, dem Dramaturgin Merle Fahrholz Fragen zu seiner Arbeit in Heidelberg stellte.

Was ist der Reiz daran, ein Werk das zweite Mal in seiner Geschichte zu inszenieren?

Johannes von Matuschka (Regie): Als mir die Inszenierung dieser Oper angeboten wurde, stand ich zunächst vor praktisch keiner Rezeptionsgeschichte. Das ist fantastisch, weil das Einzige, worauf du dich verlassen kannst, die Musik ist, die Figuren und deine Fantasie.

Magdalena Gut (Bühne): Wir haben mehr Freiraum als bei einer Uraufführung, denn der Komponist ist während des Probenprozesses nicht anwesend. Aber es hat mich schon sehr erstaunt, dass wir nach 20 Jahren das erste Team sind, das sich mit diesem Werk beschäftigt. Doch der große Reiz ist die Auseinandersetzung mit der Person Vermeer, seiner Kunst, seiner Betrachtungs- und Arbeitsweise im Kontext mit einer Musik, die nicht so weit in der Geschichte zurückliegt, also zeitgenössisch ist, und einen Blick von heute auf diese Arbeiten einfordert.

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Was bedeutet es, eine Titelfigur zu haben die physisch nicht anwesend ist?

Johannes von Matuschka: Es schafft Freiraum für den Blick auf das künstlerisch geschaffene Werk der Titelfigur. Die Oper gibt den »stummen« Frauen seiner Gemälde eine Stimme. Die Briefschreibende, die Milchausgießerin oder die junge Frau, die überlegt, ob sie das ihr angebotene Glas Wein trinkt und uns dabei verbündend ansieht. Diese intimen Momentaufnahmen haben ein davor und ein danach, sie sind lebendig und treten in Beziehung mit dem Betrachter und somit auch mit dem Maler.

Florence von Gerkan (Kostüm): Abwesenheit ist für die Theaterarbeit ein sehr zentrales Thema. Etwas wegzulassen schafft Raum für anderes und die Fantasie des Betrachters.

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Gibt es einen gesellschaftlichen oder politischen Schwerpunkt in dieser Inszenierung?

Magdalena Gut: In dem Werk von Vermeer steht die Darstellung von bürgerlichen Frauen im Fokus. Diese Frauen werden zumeist in sehr kontemplativen Augenblicken gezeigt, oft lesend oder schreibend. Seine Bilder zeugen von einem großen Selbstbewusstsein der bürgerlichen Klasse, wie es in dieser Zeit in anderen Teilen Europas so nicht zu finden ist. Man hat den Eindruck, dass er diesen Frauen einen gleichberechtigten Platz in der Gesellschaft zugesteht. Die Oper treibt dieses Thema weiter und verleiht den Frauen eine Stimme. Deshalb gibt es wohl auch keine männliche Figur in dieser Komposition.

Johannes von Matuschka: Inszenatorisch unterstreichen wir den mutigen Aufbruch der Frauen sich »aus dem Bild« herauszuschrauben.

Welche Inspirationen habt ihr aus der Künstlerfigur Vermeer, seiner Biografie und seinem Werk gezogen?

Johannes von Matuschka: Schon um die Beziehung der Frauen zu einer konkreten Figur zu erleben ist es wichtig, eine Psychologie des Malers Vermeer zu entdecken. Da über Vermeer biografisch sehr wenig erfahrbar ist, sind es vor allem die Kontexte zu Frauen, die auch über ihn zeugen – wie seine strenge Schwiegermutter Maria, von der er finanziell abhängig war.

Magdalena Gut: Mich hat die Arbeitsweise des Künstlers und seiner Zeit interessiert: Wie konstruiert man eine Perspektive? Wie komponiert man ein Bild? Hier vor allem der technisch-wissenschaftliche Zugang. Zu Zeiten Vermeers gab es diese strenge Trennung in Kunst und Wissenschaft nicht. Man bediente sich der Mathematik und der Geometrie und eben auch einer Camera Obscura.

Welche Funktion erfüllen hierbei die Videos? 

Philipp Ludwig Stangl (Video): Mit der Videoebene versuchen wir die optischen Prinzipien der Camera Obscura sichtbar zu machen. Es geht uns also mehr um unterschiedliche Dispositionen des Blicks, als um ein narratives Element. Hier sind wir mit Mitteln des Films ganz nah bei der künstlerischen Praxis Vermeers. Das Reizvolle für die Bühne ist, dass sich mit dem Medium Film mehrere Realitätsebenen erzeugen lassen, die zwischen Außen und Innen changieren.

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Das vollständige Interview können Sie im Programmheft zu »Writing to Vermeer« nachlesen.

Writing to Vermeer

Trailer von Thiemo Hehl

Fotos von der Klavierhauptprobe am 3. Mai 2018 von Sebastian Bühler

Karten für die Vorstellungen von »Writing to Vermeer« erhalten Sie an der Theaterkasse, unter 06221 58 20 000, tickets@theater.heidelberg.de oder online im Webshop.