Theater und Orchester Heidelberg
Foto Sebastian Bühler

Die neue Zeit nicht mehr verstehen

Wolfgang Amadeus Mozarts »Idomeneo« zeigen wir in einer außergewöhnlichen Neuinszenierung des Regisseurs des Jahres (Opernwelt 2018) Peter Konwitschny.
Während der Proben führte die Produktionsdramaturgin Juliane Votteler ein langes Interview mit dem Regisseur. Der folgende Auszug gibt einen Einblick in die Inszenierungskonzeption Peter Konwitschnys und ihre sehr besondere Umsetzung auf der Bühne:

Peter Konwitschny: »Zunächst scheint es sich um einen privaten Konflikt zu handeln: die Begegnung zwischen dem Vater und dem Sohn: Idamante und Idomeneo, Wolfgang Amadeus und Leopold Mozart. Wir sind kurz vor der großen Revolution. Wir stehen 1781 kurz davor, dass Gott sterben muss. Das empfinde ich als den ketzerischen Gehalt: Dass man das schon denken kann und singen darf! Das macht das Werk auch so modern. Erst sehen wir Idomeneo als einen Menschen, der an Gott glaubt, und der zu wissen meint, was der Gott des Meeres von ihm verlangt. Dann verliert er diesen Glauben. Die Autoren zeichnen ihn als einen Menschen, der eine neue Zeit kommen sieht, die er nicht mehr versteht, und die auch in gewisser Weise sein Leben beendet – auch wenn er noch »weiterlebt«. Aber seinen Platz kann er nicht mehr einnehmen wie früher.
[…]
Es war ja unsere Idee, das Orchester auf und nieder fahren zu lassen, weil das Stück so viel mit dem Meer zu tun hat. Es geht um das Auf und Ab des Wassers und natürlich auch gleichzeitig um die Metapher für das Schicksal. Ich bin froh, dass das Orchester unseren Vorschlag angenommen hat. Es ist für mich die entscheidende Idee für die Inszenierung, und es ist mutig, sich darauf einzulassen. Es entspricht aber auch dem jungen Mozart und seiner ketzerischen Einstellung: Das Orchester »übersetzt«, was es bedeutet, was da gespielt wird. So erhält es bei uns auch in der theatralischen Erzählung einen zentralen Platz.
[…]
Ich denke, dass Wolfgang Amadeus sich im »Idomeneo« richtig ausgetobt hat. Er hat sich abgearbeitet an der Tradition, an den Vorgaben des Librettos, an den Vorstellungen seines Vaters. Aber das Wichtigste ist: Er ist in seiner Emanzipation nicht gescheitert! Das war ein einsamer Moment für ihn, sich von seinem Vater, von der Tradition zu lösen und in eine Zukunft aufzubrechen, von der er ja nicht wusste, wie sie aussieht. Und das ist für mich das Entscheidende: Idomeneo muss seinen Sohn töten. So steht es auch in der Vorlage des Stückes von Antoine Danchet und André Campra. Aber das haben wir gar nicht gewusst, als wir die Inszenierung konzipierten. Für mich ist das einfach eine logische Konsequenz aus der Handlung. Wie gesagt: Nach Verlust unseres zivilisatorischen Koordinatensystems.
Wenn ich Troja zerstöre – oder Hiroshima – dann ist etwas vorbei und ausgelöscht. Dann gibt es keinen Gott mehr, der das rechtfertigt oder verzeihen könnte. Dann dürfen wir Menschen alles, wir sind zu allem in der Lage … die Hemmungen und Schranken, die uns davor bewahren, zu Unmenschen zu werden, sind gefallen. Dieses Gebäude, worauf unsere ganze Moralauffassung ruht, was man so Ethik nennt, hat sein Fundament verloren. Das kracht alles zusammen. Daher ist dieses Stück für mich so aktuell. Die Ethik ist verschwunden.«

Das vollständige Interview mit allen Mitgliedern des Produktionsteams können Sie im Programmheft zu »Idomeneo« nachlesen.

Karten für die nächsten Vorstellungen an der Theaterkasse, Theaterstraße 10, unter 06221 58 20 000, tickets@theater.heidelberg.de oder online im Webshop.

Idomeneo

Dramma per musica in drei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart

Idomeneo

Trailer von Thiemo Hehl