Theater und Orchester Heidelberg
Foto Sebastian Bühler

Zukunftsroman von Jewgenij Samjatin auf der Zwinger3-Bühne

Interview von Dramaturgin Viktoria Klawitter mit Regisseurin Natascha Kalmbach zur Premiere von Wir

Viktoria Klawitter: Natascha, wie bist du auf den Roman Wir aufmerksam geworden?
Natascha Kalmbach: Auf der Suche nach literarischen Texten für ein Schulprojekt zum Thema Zukunft bin ich auf die bekannten dystopischen Romane 1984, Schöne neue Welt, Fahrenheit 451 und schließlich auf den Roman Wir gestoßen, der schon 1920, also vor all den anderen Texten veröffentlicht wurde. Besonders spannend und auch gruselig fand ich die Maßnahme des totalitären Staates in Wir, allen Bürgern die Fantasie wegzuoperieren, um ein zufriedenes Leben zu gewährleisten.

Viktoria Klawitter: Was interessiert dich daran, diese Geschichte auf der Bühne zu erzählen?
Natascha Kalmbach: Heutzutage ist manches, was sich Samjatin ausgedacht hat, fast Wirklichkeit. Das Leben scheint immer berechenbarer zu sein – zumindest suggeriert das die Digitalisierung –, und wir geben Freiheiten zu Gunsten einer vermeintlichen Sicherheit ab. Wir bietet eine spannende Geschichte über Liebe und Revolution in einem totalitären Staat und ermöglich damit eine Auseinandersetzung mit unserer »gläsernen Welt«.

Natascha Kalmbach, Foto A. Taake

Natascha Kalmbach, Foto A. Taake

Viktoria Klawitter: Mit der Tänzerin und Choreografin Francesca Imoda und den Musikern Lukas Brehm und Jonas Pentzek hast du dein Team erweitert. Woher kommt dein Gedanke, bei Wir mehrere Künste zusammenzuführen?
Natascha Kalmbach: Eigentlich würde ich am liebsten bei jeder Produktion mit Choreografie und extra dafür komponierter Musik arbeiten. Bei Wir ist die Ergänzung für mich zwingend, weil Wir in der Zukunft spielt und wir in der Darstellung nicht von der Realität ausgehen können und wollen. Wir müssen eine möglichst fantasievolle Umsetzung finden. Dazu werden Choreografie und Musik beitragen.

Viktoria Klawitter: Welche Gedanken oder Fragen wünschst du dir, die das Publikum nach dem Vorstellungsbesuch mitnehmen soll?
Natascha Kalmbach: Der Roman endet mit dem Satz: Die Vernunft wird siegen. Aber ist wirklich alles rational zu erfassen? Haben Fantasie und Gefühle keine Wichtigkeit? Hat die Vernunft im Jahrhundert der Digitalisierung bereits gesiegt? Und ist das gut so? Die Hauptfigur des Romans erlebt, dass ihn die nicht berechenbaren Gefühle und die Loslösung von den Regeln schwer verwirren. Vielleicht – so fragt er – ist Glück ohne Freiheit die bessere Variante als Freiheit ohne Glück?

Wir für alle ab 13 Jahren feierte am 08. April Premiere. Weitere Termine: 11. und 17.-19. April, 3. und 5. Mai

Karten gibt es an der Theaterkasse, unter 06221 58 20 000, tickets@theater.heidelberg.de oder online im Webshop.