Zur Saisoneröffnung des Jungen Theaters geht es in diesem Jahr mit einer Stückentwicklung für alle ab 12 Jahren an einen außergewöhnlichen Ort: das alte Emmertsgrunder Schwimmbad. Zur Premiere »Verschwommen« am 21. September beantwortet Regisseurin Natascha Kalmbach drei Fragen von Dramaturgin Viktoria Klawitter.
Was bedeutet eine Stückentwicklung?
Natascha Kalmbach: Wir haben keinen fertigen Text, sondern Themen, mit denen wir uns beschäftigen. Ausgehend von einer Recherche in Schulen, was ist für Schüler*innen heute typisch Mädchen, typisch Jungs und was interessiert euch an dem Thema Gender, haben wir uns in den ersten Probenwochen zunächst anhand von Bildern, Romanen, Zeitungsartikeln und Dokumentationsfilmen dem Thema Gender genähert. Angeregt davon improvisieren die Schauspieler*innen Szenen oder schreiben eigene Texte. Auch ich gebe Szenenentwürfe vor. Bis zur Premiere wird so eine Szenencollage entstehen, die sich mit den Geschlechter-Klischees, Trans- und Intersexualität und mit der hormonellen Bestimmtheit von Mann und Frau auseinandersetzt.
Warum habt ihr Euch für das Thema Gender für die Stückentwicklung entschieden?
Natascha Kalmbach: Durch die #metoo-Debatte, durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Intersexualität im Herbst 2017, durch die Aufforderung zur gendergerechten Sprache, aber auch durch den Austausch mit Schüler*innen unter anderem im Zusammenhang mit unserer Klassenzimmerproduktion »M.I.L.F. (Marvin is like a frog)« in der letzten Spielzeit wurde das Thema Gender so allgegenwärtig, dass wir uns damit vertiefend beschäftigen wollten. Natürlich spielt auch die Spielstätte eine Rolle. Ein ehemaliges Schwimmbad schreit nach einer Auseinandersetzung über weibliche und männliche Körper.
Wie bist Du auf den Ort, das alte Schwimmbad im Stadtteil Emmertsgrund, aufmerksam geworden?
Natascha Kalmbach: Letzten Sommer wurde klar, dass wir für den Herbst eine Ausweichspielstätte benötigen. Dann sprach unser Intendant in einem RNZ-Interview über mögliche Außenspielorte für das Theater, zum Beispiel ein Schwimmbad. Das hat mich interessiert. Auf das Schwimmbad im Emmertsgrund bin ich dann per Zufall im Internet gestoßen. Spannend an diesen Räumen ist die Atmosphäre, die den Eindruck vermittelt, als wäre die Zeit stehengeblieben, als wären dort gestern noch Menschen schwimmen gewesen. Und ich finde es gut, dass wir im Emmertsgrund spielen, so lernen viele (auch wir) diesen Stadtteil kennen.